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»WIR SIND EIN MITTELSTÄNDLER«

Vorstandsvorsitzender Fokke Fels im Interview mit der DVZ

Seit einigen Jahren hält die in Brake beheimatete LIT AG strammen Wachstumskurs. Warum und was er noch alles vorhat, beschreibt Vorstandschef und Inhaber Fokke Fels.

Fokke Fels ist der sprichwörtliche Vollblutunternehmer. Im Alter von 66 Jahren denkt er gar nicht daran, sich zurückzuziehen. Er hat vielmehr im vergangenen Jahr seinen Vertrag als Vorstandsvorsitzender seiner LIT AG noch einmal um fünf Jahre verlängert. In dieser Funktion bleibt er mitten im operativen Geschäft tätig – wenn auch nicht mehr ganz in der früheren Intensität.

Doch warum tut er sich das an? „Wir sind derzeit in einer expansiven Phase. Und da möchte ich das Zeichen für die Mannschaft setzen, dass der Kapitän an Bord bleibt“, wählt der alleinige Unternehmensinhaber ein Bild aus der Schifffahrt.

Seit einigen Jahren expandiert LIT kräftig. So hat sich der unkonsolidierte Umsatz in den vergangenen fünf Jahren von 391 Millionen Euro (2018) auf 835 Millionen Euro (2023)mehr als verdoppelt. Selbst in dem für die Branche wirklich nicht einfachen vergangenen Jahr konnte LIT gegen den Trend um fast 100 Millionen Euro oder 15 Prozent zulegen. „2023 war für die Gruppe ein sehr gutes Jahr. Wir hatten gute Verträge und eine gute Auslastung“, bilanziert Fels denn auch. Im laufenden Jahr wird ein Umsatz von 930 Millionen Euro angestrebt, 2025 „werden wir dann wohl 1 Milliarde schaffen“.

Wie geht das? Basis dieser Entwicklung war ein deutlicher Strategiewechsel im Jahr 2008: Damals, in der Zeit der von der Finanzwirtschaft ausgelösten Wirtschaftskrise, war LIT sehr Automotive- und damit Jumbo-Transport-lastig, erinnert sich Fels. Rund zwei Drittel des damaligen Geschäfts waren von der Automobilindustrie abhängig. „Von dieser Abhängigkeit wollten wir weg.“ Heute steuere das Automotive-Segment nur noch 20 Prozent zum Umsatz bei. Zudem gilt bei LIT der Grundsatz, dass kein Kunde mehr als 5 Prozent zum Gesamterlös beitragen soll.

Diverse Zukäufe, mit denen sich LIT in den vergangenen Jahren breiter aufgestellt hat, sind für einen wesentlichen Teil des Wachstums verantwortlich. So gehören Firmen wie Kieserling, Hölkemeier, Westfalia, ein Teil der Würfel-Gruppe, Fehrenkötter oder die Gübau-Gruppe zu LIT. Sie alle hätten sich unter dem LIT-Dach sehr positiv entwickelt, unterstreicht Fels. Ein Meilenstein sei dabei der Kieserling-Kauf im Jahr 2018 gewesen, „er war die Basis für unseren Einstieg in die Kontraktlogistik sowie den Luft- und Seefrachtbereich“. Aber auch das Cross Selling innerhalb der LIT-Gruppe habe zum Wachstum beigetragen.

Raum für Neues gegeben
Gleichzeitig hat der LIT-Inhaber „der Mannschaft Raum gegeben, neue Dinge anzupacken und auch völlig neue Geschäfte zu akquirieren“. Ein Beispiel: So ist die Kieserling Contract & Logistics in Norddeutschland seit 2019 für den Onlinegiganten Amazon auf der letzten Meile tätig. Rund 400 Autos sind inzwischen an diversen norddeutschen Standorten in der Zustellung unterwegs – alle mit unternehmenseigenem Personal, wie Fels unterstreicht.

„Wir haben das Wachstum in den vergangenen Jahren forciert und dabei bewusst eine geringere Rendite in Kauf genommen“, beschreibt Fels die Vorgehensweise. Gerade neue Geschäfte oder neue Anlagen verursachen in der Regel Anlaufverluste, „Bestandsgeschäfte aber müssen sich rentieren“.

So lag die EBIT-Marge in den Jahren 2021 und 2022 bei bescheidenen 1,5 Prozent, bezogen auf den unkonsolidierten Umsatz. Doch künftig soll die Wirtschaftlichkeit stärker im Mittelpunkt stehen, gibt der LIT-Chef vor. „So 3 bis 4 Prozent sollten wir schon anstreben“, ein Wert, den die Gruppe 2023 erreicht hat.

Bremen ist einer der Schwerpunktstandorte in der Kontraktlogistik. So ist hier das LCC IV (LIT Logistics Center) angesiedelt, das für den Kunden Melitta genutzt wird. Noch im laufenden Jahr soll die Lagerkapazität der gesamten LIT-Gruppe von derzeit 850.000 auf 950.000 Quadratmeter ausgeweitet werden.

Das heißt im Umkehrschluss aber nicht, dass die Gruppe nicht mehr wachsen will. Im Gegenteil, „das wollen wir – organisch und durch Zukäufe“. Die heutige LIT-Größe mit rund 4.000 Beschäftigten „reicht für heute und für morgen, aber ob sie in fünf Jahren noch ausreicht?“ Da ist sich der LIT-Chef nicht sicher. Weil er aber auf jeden Fall weiterhin als eigenständiger Player am Markt agieren will, „werden wir wachsen müssen“, so seine Schlussfolgerung.

Stichwort Zukäufe: Grundsätzlich hält es der Unternehmer für möglich, jährlich bis zu drei, vier Akquisitionen zu integrieren. „Ich gehe davon aus, dass wir im laufenden Jahr noch den einen oder anderen Abschluss tätigen“, kündigt er an. Dabei werde es darum gehen, den Transportbereich weiter zu stärken, aber auch im Spezialdienstleistungsbereich in der Kontraktlogistik sieht er Perspektiven. Namen möglicher Zukäufe nennt er allerdings noch nicht.

Eine aktive, zielgerichtete Akquisitionspolitik verfolgt LIT dennoch nicht, „es gibt keine Liste von 50 Firmen, die wir abarbeiten wollen“. Vielmehr werde Fels oft von Unternehmern angesprochen, die eine langfristige Nachfolgelösung für ihre Betriebe suchen.

In der Regel treten die Zukäufe auch nach einer Übernahme durch LIT eigenständig am Markt auf. Synergien werden im Verwaltungsbereich und beim Einkauf erzielt, weshalb Fels Firmen mit eigenem Fuhrpark im Auge hat. Diese müssen in ihrem Marktsegement erfolgreich tätig sein und dort als Spezialisten wahrgenommen werden. Und sie müssen ertragreich sein, keine Sanierungsfälle, so die klare Ansage.

Die Kontraktlogistik ist derzeit ein wesentlicher Wachstumsträger. Im laufenden Jahr soll die Lagerkapazität erneut kräftig aufgestockt werden – von derzeit 850.000 auf 950.000 Quadratmeter. Allein in Minden, einem der LIT-Schwerpunktstandorte in der Kontraktlogistik neben Bremen und Germersheim, entsteht für rund 30 Millionen Euro eine Anlage mit 45.000 Quadratmetern Fläche.

Zudem wurde 2022 die Tochtergesellschaft Automotive Solutions speziell für die Kunden aus der Automobilbranche gegründet, die ein spezielles Anforderungsprofil in der Kontraktlogistik haben. In diesem Segment soll LIT angesichts der sinkenden Anzahl an Playern auf diesem Markt stark zulegen, plant Fels.

Zudem baut LIT das Engagement im See- und Luftfrachtgeschäft in den kommenden Monaten kräftig aus. Das Unternehmen ist dabei, die weltweite Präsenz aufzustocken. So wird in diesen Tagen eine neue Gesellschaft in Singapur gegründet, die als Holding für die LIT-Überseehäuser fungieren soll, kündigt Fels an. Zudem geht ebenfalls Ende Mai ein eigenes Büro in Istanbul an den Start, wenige Wochen später ist eine Dependance im chinesischen Shenzhen geplant. In Busan ist die 50-Prozent-Beteiligung an einem koreanischen Unternehmen vorgesehen. „Da sind wir in den finalen Gesprächen“, deutet er an. Weitere Engagements sind in Bangalore (Indien), den USA, Vietnam sowie Mexiko geplant. Schon im kommenden Jahr soll der Umsatz dieser LIT-Sparte von 22 Millionen Euro in 2023 auf 50 Millionen verdoppelt werden.

Die AG fungiert quasi als Plattform für die 70 operativ am Markt tätigen LIT-Gesellschaften mit in der Regel zwischen 50 und 150 Beschäftigten. Sie werden von jeweils einer Person geleitet. Nach diesem Grundprinzip sind auch die übernommenen Unternehmen unverändert eigenständig am Markt tätig. Vom Hauptsitz in Brake aus steuern rund 200 Beschäftigte vor allem die Verwaltung, auch der Vorstand selbst hat dort seinen Sitz.

Neben der leichteren Führbarkeit des operativen Geschäfts hat diese Struktur einen weiteren Vorteil: „Wir werden nicht als Konzern wahrgenommen, sondern eher als das, was wir sind – ein großer Mittelständler. Und ich glaube fest daran, dass der Mittelständler bei entsprechender Leistungsfähigkeit auch aufgrund der persönlichen Ansprache von vielen Kunden bevorzugt wird“, so Fels. So würden auch große Kunden – Namen wie Daimler, Knauf, Unilever, Melitta oder Mars befinden sich auf der Referenzliste – Wert auf persönliche Ansprechpartner und Kontinuität legen, betont er. „Logistik ist trotz aller Digitalisierung und Automatisierung immer noch ein peoples business“.

Vorteil fürs Klima – und für die Kollegen
Ein wichtiges Zukunftsthema ist für das Unternehmen das Beherrschen des digitalen Wandels. Dafür sollen die Ressourcen entsprechend ausgebaut werden. Das I in dem Firmennamen steht seit jeher für Information – alle wesentlichen IT-Lösungen habe das Unternehmen selbst entwickelt, ist Fels stolz. Daher hält er diesen Bereich und die große Offenheit für prozessuale Lösungen für wichtige Alleinstellungsmerkmale der Gruppe. Dafür verantwortlich ist die Tochtergesellschaft Comlogis. Das L steht übrigens für Logistik, das T für Transport.

Zudem will Fels den Kombinierten Verkehr weiter ausbauen. Schon seit Jahren betreibt LIT zusammen mit dem Schienenlogistiker Captrain Deutschland das Joint Venture Smartrail Logistics, um Lkw und Güterbahn zu verknüpfen. So vermarktet Smartrail drei wöchentliche Züge von Dresden nach Emden mit Zulieferteilen für das dortige VW-Werk. „Derzeit sortiert sich der Kombiverkehrsmarkt in Deutschland und Europa neu, da wollen wir uns einbringen“, betont Fels.

Auch wenn der kinderlose LIT-Macher noch bis Ende 2028 an Bord bleiben will – wie sehen die Nachfolgepläne aus? LIT soll in jedem Fall eigenständig bleiben, so sein Wunsch. Die Gesellschafterrolle soll deshalb eine Stiftung übernehmen, an deren Gründung Fels und seine Frau Anke Hollmann derzeit intensiv arbeiten. Aber bis zu seinem Rückzug dauert es ohnehin noch einige Zeit.

LIT auf einen Blick

  • Das Unternehmen wurde 1988 von Fokke Fels, Dieter Lauschke und Roland Schiefke gegründet. Lauschke wurde wenig später von Christian Niemann ersetzt. Seit 2014 ist Fels alleiniger Eigentümer.
  • Die LIT AG fungiert als Holding; unter ihr operieren circa 70 eigenständige Gesellschaften, die in fünf Organisationseinheiten zusammengefasst sind: LIT Speditions GmbH, LIT Cargo GmbH (Fahrer und Fuhrpark), LIT Lager & Logistik (Kontraktlogistik) , LIT Personalmanagement und Comlogis (IT).
  • LIT beschäftigt über 4.000 Menschen (davon 1.300 Fahrer) an 101 Standorten in 14 Ländern, etwa 400 (90 Fahrer) davon arbeiten im Ausland.
  • Umsatz 2023: 835 Millionen Euro
  • Flotte: 1.500 Lkw, 5.400 Wechselbrücken, 1.480 Auflieger
  • 850.000 Quadratmeter Logistikfläche an 45 Standorten in Deutschland 
  • Wichtigste Geschäftsfelder: Automotive, Bau- und Dämmstoffe, Baumarktlogistik, Konsumgüter, Handel, Gesundheitswesen, Industrie/Chemie, Papier-, Plastik-, Glas- und Verpackungsindustrie
  • Tochtergesellschaften sind unter dem Dach der LIT AG operativ am Markt tätig.

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